Endlich wieder Gottesdienst in der Kirche

Es ist der 23. Mai. Ich gehe zur Kirche. So gespannt wie heute war ich dabei schon lange nicht mehr. Was mich da wohl erwartet? Nach 5 ½ Monaten dürfen wir wieder zusammenkommen.

Darüber freue ich mich! Aber ich fühle mich auch unsicher: Gottesdienste, wie wir sie “vor Corona” kannten, können noch nicht wieder stattfinden. Zu hoch ist noch immer das Infektionsrisiko. Es soll sich doch niemand anstecken bei uns.

Wie wird es jetzt sein, wieder oder immer noch unter diesen Bedingungen Gottesdienst zu feiern?

An der Kirchentür empfangen mich eine Presbyterin und der Küster, die darauf achten, dass ich meinen Mund-Nase-Schutz trage und mir die Hände desinfizieren.

Auf Aushängen und der Internetseite der Gemeinde ist noch ausführlicher erklärt: keine Berührungen (Händedruck o.ä.); Abstand halten; nur auf den markierten Plätzen sitzen; nicht singen; nur Menschen aus einem Haushalt dürfen zusammen sitzen. Und wenn es zu viele werden, müssen die auf den nächsten Gottesdienst vertröstet werden.

Dann ist es halb zehn. Die Glocken läuten, und Frau Kisilev spielt die Orgel. Wie lange schon haben wir sie nicht mehr gehört! Ich genieße die Musik, und eigentlich fühlt es sich jetzt fast so an wie früher. Aber dann gehe ich nach vorn, um die Gemeinde zu begrüßen – und der Anblick, der sich mir da bietet, ist sehr gewöhnungsbedürftig: Vereinzelt und verstreut sitzen diejenigen, die heute Morgen gekommen sind, obwohl etliche der verfügbaren Plätze belegt sind. Ich bin froh, diese Menschen zu sehen – und kann ihnen doch nicht richtig ins Gesicht schauen: Wie geht es ihnen? Was denken sie? Verstehen sie mich? Hören sie mir überhaupt zu? Die Masken verdecken so viel von den Gesichtern.

Und trotzdem: Wir hören Gottes Wort, das er uns zuspricht. Wir beten gemeinsam, wir denken miteinander nach. Die Liturgie ist deutlich gestrafft: Nur maximal 45 Minuten soll das Ganze ja dauern. Vieles ist anders als sonst.

Und trotzdem: Irgendwann bekomme ich das Gefühl, dass wir das alles hier zusammen durchstehen. Ein Kopfnicken hier, ein Stirnrunzeln da, Augenzwinkern, Seufzen, Aufatmen, Blicke werden ausgetauscht: Gemeinschaft entsteht auch über Masken hinweg. Und am Ende: Gottes Segen, der sich über uns alle legt. Ich bin dankbar, dass gemeinsame gottesdienstliche Feiern jetzt wieder möglich sind.

Gisela Kuhn