Wie geht es Ihnen, Frau Kuhn?

Wie geht es Ihnen, Frau Kuhn?
Ein Gespräch mit Pfarrerin Gisela Kuhn

Es waren unruhige Zeiten in unserer Kirchengemeinde und innerhalb weniger Jahre fanden viele Veränderungen statt. Zunächst waren da die finanziellen Probleme der Gemeinde, die dazu führten, dass eine Pfarrstelle aufgegeben werden musste, die Erkrankung von Pfarrer Herbrecht und sein Ausscheiden aus der Gemeinde. Es folgte die Corona Pandemie, die das Gemeindeleben ausbremste und dann kündigte Pfarrer Kern Ende 2022 an, dass er die Gemeinde Anfang 2023 verlassen werde.

TP: Das sind sehr viele Veränderungen, Frau Kuhn. Sie sind nun die einzige Pfarrerin in der Kirchengemeinde und müssen die Arbeit und Aufgaben, die bisher auf drei Personen verteilt waren, allein bewältigen. Das war und ist keine leichte Aufgabe und deshalb frage ich Sie heute: „Wie geht es Ihnen, Frau Kuhn?“

Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Die Entscheidung von Pfarrer Kern, aus der Gemeinde auszuscheiden und eine Pfarrstelle in der Schweiz aufzunehmen, kam auch für mich völlig überraschend. Es gab unendlich viel neu zu organisieren und zu übernehmen, wie z.B. die Überschneidungen der vielen Gemeinde- und Grundschulgottesdienste, die Konfirmandenarbeit, Hochzeits- und Tauftermine, die Herr Kern noch vereinbart hatte und nun von mir übernommen werden mussten. Unterstützt wurde ich zwar ab April von Dr. Benedetti, aber auch er ist nur teilweise und zeitlich begrenzt in unserer Gemeinde tätig. Inzwischen kann ich etwas aufatmen, Termine sind wieder selbstbestimmt und die neuen Konfirmanden und Konfirmandinnen muss ich nicht erst kurz vor der Konfirmation kennenlernen.

TP: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? Hat sich nach den vielen personellen Veränderungen eine neue Routine entwickelt?

Es ist viel administrative Arbeit auf mich zugekommen, aber die Digitalisierung erleichtert einiges. Viele Anfragen und Informationen kommen per Mail und Telefon und müssen beantwortet bzw. bearbeitet werden. Oft sind es auch seelsorgerliche Anfragen, die natürlich die erforderliche Zeit benötigen. Die Vorbereitung der Predigten, der Konfirmandenstunden, Vorbereitung und Leitung der Sitzungen des Presbyteriums, Teilnahme an Ausschusssitzungen in der Gemeinde und im Kirchenkreis, Leitung diverser Projekte und die Pressearbeit bestimmen meinen Arbeitsalltag.

Ich mache derzeit keine Krankenhausbesuche mehr. Diese Aufgabe wird von den zuständigen Krankenhauspfarrern übernommen. Auch Dienste in der Notfallseelsorge kann ich noch nicht wieder übernehmen. Meine Zeit reicht leider auch nicht mehr aus, um Geburtstagsbesuche zu übernehmen. Aber es ist geplant, dass Frau Förster einen Besuchsdienst aufbaut. Neu hinzu gekommen ist für mich eine umfangreichere Mitarbeiterführung.

TP: Was hat sich noch verändert?

Am 1. Oktober nimmt Frau Förster ihre Arbeit als Diakonin in Vollzeit auf. Seit April war es nur eine halbe Stelle, da sie noch als Jugendleiterin tätig war. Von Ihrer Tätigkeit verspreche ich mir eine große Entlastung. Dr. Benedetti entlastet mich im seelsorgerlichen Bereich, indem er z.B. Beerdigungen und Gottesdienste, auch im Ev. Altenheim und im Rosenhof Erkrath übernimmt.

TP: Wo liegt aktuell der Schwerpunkt Ihrer Arbeit? Im seelsorgerlichen oder administrativen Bereich?

Ich würde sagen, er teilt sich hälftig auf. Wichtig ist mir, dass die Grundversorgung in der Gemeinde gesichert ist und dass wir ein stabiles Gemeindeleben haben.

TP: Woher nehmen Sie die Kraft und Energie, diese umfangreichen Aufgaben zu bewältigen?

Bereits mit 15 Jahren wusste ich, dass ich Pfarrerin werden wollte. Es ist meine Berufung. Die Arbeit bereitet mir Freude, ist spannend und bereichert mich. Auch habe ich schon früh gelernt, mit anstrengenden Zeiten umzugehen.

TP: Wie ist aktuell die ökumenische Zusammenarbeit mit der katholischen Kirchengemeinde Erkrath?

Die ökumenische Arbeit war immer ein wichtiger Bestandteil. Aber durch die Pandemie und auch durch die strukturellen Probleme, mit der die katholische Gemeinde zu kämpfen hat, hat die Zusammenarbeit sehr gelitten. Aber es gibt noch kleinere gemeinsame Projekte, wie z.B. das Biodiversitätsprojekt in Unterfeldhaus und die gemeinsame ökumenische Impulswanderung am 8. Oktober.

Außerdem macht mir persönlich die Krise der katholischen Kirche im Bistum Köln sehr zu schaffen und blockiert mein Engagement.

TP: Es wird viel über den „Kooperationsraum Erkrath/Hochdahl/Mettmann“ gesprochen. Was hat es damit auf sich?

Viele Kirchengemeinden werden in Zukunft durch personelle und finanzielle Probleme allein nicht mehr lebensfähig sein. Wir müssen uns darauf einstellen, dass Kooperationen erforderlich sind. Vor einigen Jahren haben wir bereits die Kindergärten in Erkrath und Unterbach in die Trägerschaft der „Windrose“ abgegeben. Eine weitere Zusammenarbeit und Vernetzung wird es in der Konfirmandenarbeit und der Kirchenmusik geben. Ein gutes Beispiel für die Kooperation ist die Sommerpredigtreihe, in der die Pfarrer und Pfarrerinnen im Kooperationsraum in allen Gemeinden tätig werden und dadurch eine große Arbeitserleichterung haben. Ich sehe in der Kooperation viele gute neue Möglichkeiten, auch wenn die Gemeindemitglieder dadurch manchmal längere Wege in Kauf nehmen müssen, wie z.B. zum zentralen Erntedank Gottesdienst in Mettmann.

TP: Frau Kuhn, haben Sie Hobbies, denen Sie nachgehen können und bleibt Zeit für Freunde und Freundinnen und Familie?

Seit 2018, also ab dem Zeitpunkt, als Pfarrer Herbrecht krank wurde, habe ich viel weniger Zeit für meine Freizeitaktivitäten. Sport, am liebsten draußen, Musik, am liebsten mit der Geige, und Nähen und Schneidern sind für mich immer ein guter und wichtiger Ausgleich zum Beruf gewesen. Doch daran musste und muss ich viel sparen. Zeit für persönliche Beziehungen und Gespräche, am liebsten nicht über Kirche und Gemeinde, sondern eher über die Lebens- und Berufswelten der anderen, zu behalten, ist sehr wichtig für mein inneres Gleichgewicht. Daraus schöpfe ich Kraft und Anregungen, außerdem den Trost, dass in vielen anderen Berufsfeldern ähnliche Probleme sind wie bei uns in der Kirche, wie personelle und strukturelle Probleme.

TP: Haben Sie eine Lieblingsmusik?

Ich mag klassische Musik, ganz besonders die von Beethoven. Und wenn es ums Singen und Tanzen geht, liebe ich Popmusik und habe sie in der Sommerpredigtreihe auch zu einem Predigtthema gemacht.

TP: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass die Gemeinde zur Ruhe kommt, dass es nicht ständig Veränderungen gibt. Ich möchte gerne wieder alte Projekte wie Literatur- und Gesprächsgottesdienste machen. Ich habe viele Ideen für neue Projekte und wünsche mir dazu die erforderliche Zeit, sie zu entwickeln. Zu guter Letzt wünsche ich mir, dass mich meine bisher stabile Gesundheit auch in Zukunft nicht in Stich lässt.

TP: Liebe Frau Kuhn, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Gespräch führte Petra Albrecht-Finklenburg